Wo bald wieder Leben einkehrt

erschienen in der Reihe "Der Poetische Blick" - 8

fotografiert von Peter von Neubeck

Ein Flattern und Gurren oben auf dem Türmchen; ein eifriges
Hin und Her auf dem Dachfirst; ein Ein und Aus an den Fenstern:
Oberhalb der viel befahrenen Straße leben Tauben ihren Alltag.
Aber wahrscheinlich ist ein wenig Alltag für sie verloren gegangen:
Es stand noch vor kurzem ein schöner Baum an der Mauerecke,
in dessen Schatten die Tauben ihre Tage verbrachten.

Nun ragt g'rad mal knöchelhoch noch das Geringste von dem
Baum aus dem Asphalt. Was hat der Baum sich zu Schulden kommen lassen? Manche sagen, Bäume würden Dreck machen. Andere, sie würden zu viel Schatten werfen. Andere wiederum unken, sie könnten umfallen. Wenn der Baum weg soll, wird er missliebig; zu dreckig, zu schattig, zu gefährlich. Bäume können nicht weglaufen.

Im gleichen Schatten stand - ach nein, es steht ja noch, nur der Schatten ist verschwunden - ein Häuschen, in das bald wieder Leben einkehrt. Mit den Zugvögeln zogen Jahr für Jahr die Bewohner im Herbst gen Süden; mit diesen kehrten sie im Frühling Jahr für Jahr zurück, um wieder zuzubereiten, was so sehr begehrt wurde. So ist das profane Häuschen dem sakralen Bau sein weltlich Anhängsel. Es berühren sich, Mauer an Mauer, zwei Welten.

Was gelangt hindurch? Von der einen wie von der anderen Seite. Eine Klage vielleicht von dort, wo sie still für sich bleiben? Ein Lachen vielleicht von hier, wo Frohgemütige an Köstlichstem lecken? Hoffnung im Gebet dort? Belohnung im Jetzt hier? Im Schatten des Baumes werden hinfort weder die einen noch die anderen mehr Schutz finden.